Münstersche Zeitung                                                                             Freitag, 18. März 1988

Diskussion um Verbote in öffentlichen Einrichtungen und am Arbeitsplatz geht weiter

Raucher müssen immer damit rechnen, daß sie anderen Schmerzen zufügen

Das Thema Rauchen beschäf­tigt die Öffentlichkeit mehr und mehr. Rauchverbote in öf­fentlichen Einrichtungen wer­den diskutiert, Arbeitnehmer erstreiten sich vor Gericht einen rauchfreien Arbeitsplatz. Der Dortmunder Rechtsanwalt und Notar Dr. Fritz Köster schrieb uns unter dem Titel 

Wann ist Rauchen strafbar?" folgenden Beitrag:

Gemeint sind nicht fahrlässige Brandstiftungen durch Weg­werfen von brennenden Ziga­retten im Wald oder durch Rauchen beim Einschlafen im Bett. Daß solches strafbar ist, bestreiten auch die meisten Ni­kotinsüchtigen nicht.

Umstritten ist aber das Ver­halten von Rauchern in um­schlossenen Gebäuden in Ge­genwart anderer Menschen. Es gibt nicht wenige, die an akuter oder chronischer Bronchitis, an einem Lungenemphysem oder an Bindehautentzündungen der Augen leiden. Solche Men­schen sind besonders allergisch und haben oft empfindliche Schmerzen, wenn sie Staub oder Rauch ausgesetzt sind.

Wenn Raucher mit brennen­der Zigarette geschlossene Räume betreten, in denen sich eine größere Anzahl von Personen befindet, müssen sie damit rechnen, daß unter diesen sol­che sind, die auf  Rauch aller­gisch reagieren und denen sie, wenn sie weiter rauchen, Schmerzen zufügen.

„Wer vorsätzlich einen ande­ren an der Gesundheit be­schädigt, wird wegen Körper­verletzung mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft..." So bestimmt es das Strafgesetzbuch in § 223.

Gesundheitsschädigung

Unter   Gesundheitsschädi­gung versteht die Rechtspre­chung u. a. „das Herbeiführen oder Steigern einer körperli­chen oder seelischen Krank­heit." (NJW 60/2253). Ein be­dingter Vorsatz genügt, es ge­nügt also, daß der Raucher da­mit rechnen muß, daß sich in dem Raum ein Mensch befin­det, dem er Schmerzen zufügt.

Das wissen im allgemeinen die Raucher auch: Der höfliche Mensch fragte früher deshalb nach dem Essen seinen Nach­barn, ob es ihn stören würde. wenn er rauche. Er rechnete damit, daß dieser selbst dann, wenn er sich belästigt fühlte, dieses nicht zugeben würde. Rechtlich bedeutete das. daß dann   die   Rechtswidrigkeit durch   Einwilligung  ausge­schlossen war (§226 a StGB), also eine strafbare Körperver­letzung nicht vorlag."

Heute wird eine solche höfli­che Frage kaum noch gestellt, oft wird auch schon während des Essens geraucht ohne Rücksicht darauf, ob es den Nachbarn stört. In der unab­hängigen Zeitschrift für Sozial­politik „Sozialer Fortschritt" (Heft 6. Juni 1981) wird unter der Überschrift „Unfreiwilliges Mitrauchen"' als Körperverlet­zung" darauf hingewiesen, daß der Raucher durch sein Tun sich auch eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit ge­mäß Art. 2, Abs. 2, S. l des Grundgesetzes . schuldig ma­chen kann. Die Körperverlet­zung ist allerdings ein Antrags­delikt, das heißt, der Raucher wird nicht bestraft, wenn der Verletzte nicht innerhalb von drei Monaten Strafantrag stellt.

Wer rücksichtslos Reste von Zigaretten wegwirft (z. B. auf die Schienen bei Haltestellen), macht sich zur Zeit (noch) nicht strafbar, obwohl eine für­sorgliche Verwaltung überall Aschenbecher aufgestellt hat und nun immer wieder auf Wegen und Schienen für Reini­gung sorgen muß. Es wäre aber sicher an der Zeit, das Rauchen auch innerhalb der Bahnhöfe zu verbieten. Es ist gewiss nicht zu viel verlangt, wenn man den Raucher bittet, nur dort zu rauchen, wo er nieman­den stört.

Keinen Anspruch

Rauchen gehört nicht zur Entwicklung einer eigenen Per­sönlichkeit und das Grundge­setz. gibt keinen Anspruch dar­auf, überall zu rauchen ohne Rücksichtnahme auf andere. Der Raucher kann sich nicht darauf berufen, daß sein Tun seit Jahren üblich geworden sei und der Nichtraucher kleinere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müsse. Es kann, wie gezeigt, durchaus einmal so sein, daß ein Raucher seinen Mitmenschen gesundheitlichen Schaden zufügt, den diese nicht hinzunehmen verpflich­tet sind.