Tabakhändler (Trafikanten, Wirte, Tankstellenbetreiber) wären eigentlich schon jetzt strafbar, wenn sie Kindern und Jugendlichen ohne Alterskontrolle Zigaretten verkaufen:

Strafbare Beitragstäterschaft: (VStG § 7: Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist).

z.B. Par 11 Abs 2 Wr Jugendschutzgesetz: An junge Menschen dürfen nicht abgegeben werden: bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres alkoholische Getränke und Tabakwaren an allgemein zugänglichen Orten und bei öffentlichen Veranstaltungen...

Die mit der Anhebung des Schutzalters auf 18 Jahre diskutierte Bestrafung von Jugendlichen widerspricht völlig psychologischen Grundsätzen: Den Jugendlichen sollte mittels Tabakpräventionsfonds (wie in der Schweiz aus Mitteln der Tabaksteuer) geholfen werden, vom Nikotin loszukommen oder noch besser gar nicht damit anzufangen! Bestraft werden müssen die Dealer; im Wiederholungsfall Verdoppelung der Strafhöhe und beim dritten Mal Lizenzentzug. Es gibt in Österreich schon zu viele Tabakverkaufsstellen und dazu noch Automaten, die in den meisten EU-Staaten für Zigaretten und andere Suchtgifte verboten wurden. Da die Alterskontrolle bei Automaten versagt und Werbeverbote damit umgangen werden, ist ihre Abschaffung zu fordern.


Blog von Dr. Florian Stiegler, Med. Univ. Graz:

„Rauchverbot unter 18“: Ein sinnvoller und wirksamer erster Schritt

 

In keinem anderen europäischen Land gibt es so viele jugendliche Raucher und ein so niedriges Mindestalter für den Kauf von Zigaretten wie in Österreich. Internationale Studien zeigen, dass ein Rauchverbot unter 18 wirksam ist. Ärzte und Gesundheitswissenschaftler unterstützen deshalb den aktuellen Reformvorschlag als einen wichtigen ersten Schritt.

 

 

Rauchen bei 15.Jährigen (wöchentlich)Rauchen bei 15-Jährigen (OECD, Health at a Glance 2013)

Wir sind Europameister: Österreich hat die meisten jugendlichen Raucher.

Rauchen wird schon lange als „Kinderkrankheit“(1) angesehen, denn wer nicht schon als Kind damit anfängt, wird später kaum noch zum Raucher. Die Tabakindustrie hat das schon lange erkannt. Bereits 1981 hatte der amerikanische Zigarettenhersteller Philip Morris in einem internen Memo betont „Die Kinder von heute sind die potentiellen Kunden von morgen, und die überwältigende Mehrheit der Raucher beginnt zu rauchen, wenn sie noch Jugendliche sind.“(2) In Österreich liegt das Einstiegsalter bei 17,3 Jahren und 77% aller Raucher sind mit 18 Jahren bereits regelmäßige Konsumenten.(3)

Gute Nachrichten für die Tabakindustrie, schlechte für uns. Die hohe Anzahl an jugendlichen Rauchern bedeutet nämlich, dass wir der nächsten Generation ein langfristiges und hartnäckiges Problem mitgeben. Denn je früher jemand mit dem Rauchen beginnt, desto eher wird er abhängig werden, desto schwerer wird er wieder aufhören können und desto größer wird sein gesundheitlicher Schaden sein.(4,5) Oft beginnen Jugendliche mit dem Rauchen, um gegen die Erwachsenenwelt zu rebellieren. Jedoch bereits im Alter von 20 Jahren werden 80% der Raucher bereuen, dass sie überhaupt damit begonnen haben.(6) Aber sie werden weiter rauchen, weil sie abhängig sind. Viele werden das den Großteil ihres Lebens tun. Wieder in den Worten der Tabakindustrie, „Eine Zigarette zu rauchen ist ein symbolischer Akt, der sagt, ‚ich bin nicht mehr das Kind meiner Mutter‘. Doch sobald die Kraft der symbolischen Handlung verschwindet, übernehmen schon die pharmakologischen Effekte [der Sucht] und halten das Rauchen aufrecht.“(6) Kaum ein Kind trifft die bewusste Entscheidung mit dem Rauchen anzufangen, kaum ein Kind ist sich der Gefahr der langfristigen Abhängigkeit bewusst.(7)

  

Österreich vernachlässigt Nichtraucherschutz und Tabakprävention.

Mindestalter für den Verkauf von Tabakwareny Areatius - Own work, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4090283 

Mindestalter für den Verkauf von Tabakwaren: 16 rot, 18 blauBlau: ab 18; Rot: ab 16

Österreich ist neben der Slowakei und Rumänien das einzige EU Land, in dem der Anteil der Raucher seit dem Jahr 2000 nicht reduziert werden konnte.(8) Der Grund dafür liegt darin, dass wir wissenschaftlich abgesicherte Maßnahmen(9) kaum umsetzen. In einem Vergleich unter 34 europäischen Ländern nimmt Österreich bezüglich Nichtraucherschutz und Tabakprävention sogar den letzten Platz ein.(10)

Verblüfft war der Kardiologe Stanton Glantz aus Kalifornien, als er bei seinem Österreichbesuch feststellte, „Ich fühle mich hier in Wien wie in einer Zeitmaschine, die mich 30 Jahre zurückversetzt hat.“(11)

Auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen wird in Österreich vernachlässigt. Der Grund für die hohe Anzahl an jugendlichen Rauchern liegt (unter anderem) an dem ungewöhnlich niedrigen gesetzlichen Einstiegsalter von 16 Jahren. In den meisten Regionen der westlichen Welt können Zigaretten hingegen nur an über 18 Jährige (volljährig) verkauft werden. Vielerorts wird derzeit sogar eine Anhebung auf 21 Jahre diskutiert und in New York, Kalifornien, Hawaii und anderen Regionen wurde diese bereits umgesetzt.

 

Eine Anhebung des gesetzlichen Mindestalters wirkt.

Als in den USA in den 80er Jahren über eine Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre diskutiert wurde, war sich die Tabakindustrie über die möglichen Folgen bewusst. So meinte Philip Morris in internen Dokumenten, dass „[diese Maßnahme] den Schlüsselmarkt der 17-20 Jährigen vernichten könnte, in dem wir etwa 25 Milliarden Zigaretten verkaufen und 70% Marktanteil genießen“.(12) Wenn sich die Tabakindustrie vor einer Maßnahme zur Tabakprävention fürchtet, dann ist das meist ein Hinweis darauf, dass sie wirkt. International wurden Reformen zur Anhebung des gesetzlichen Mindestalters in folgenden Ländern auf ihre Wirksamkeit hin überprüft:

 

1.     England 2007: Anhebung des Mindestalters von 16 auf 18 Jahre

Im Oktober 2007 wurde in Großbritannien das Mindestalter für den Verkauf von Tabakprodukten von 16 auf 18 Jahre erhöht. Eine Studie(13) mit über 50.000 Personen konnte zeigen, dass der Anteil der Raucher unter den 16 und 17 Jährigen um 30% gesunken (von 23,7% auf 16,6%) ist. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der älteren Raucher nur minimal reduziert. Eine andere Studie(14) untersuchte in 264 Schulen den Effekt auf 11-15 Jährige und auch hier zeigte sich der Raucheranteils signifikant um 33% vermindert. Die Steigerung des Mindestalters von 16 auf 18 Jahre hat somit bei den 11-17 Jährigen Briten den Raucheranteil reduziert (nicht nur die vom Gesetz direkt betroffenen 16 und 17 Jährigen).

 

2.     Schweden 1997: Anhebung des Mindestalters auf 18 Jahre

Im Jahr 1997 wurde nach einigem Zweifel und Widerstand das Rauchverbot für unter 18-Jährige eingeführt. Eine Studie(15) mit über 40.000 Schülern von 12-16 Jahren wurde in drei schwedischen Regionen durchgeführt. Hier zeigte sich erst nach 9 Jahren und nur bei den 15-16 Jährigen in den ländlichen Regionen Värmland und Västernorrland ein signifikant um 35% reduzierter Raucheranteil. Nicht aber in der Stadt Malmö, den 13-14 Jährigen oder auf kürzere Sicht. Diese Beobachtung lässt sich vor allem durch die zahnlose Umsetzung des Gesetzes erklären. In der Stadt war es leicht auf Umwegen zu Zigaretten zu kommen und 48% der minderjährigen „Testkäufer“ konnten auch noch im Jahr 2005 mühelos Zigaretten kaufen.(16)

 

3.     USA (Needham) 2005: Anhebung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre

Im April 2005 wurde Needham, Massachusetts, die erste amerikanische Stadt, in der das gesetzliche Mindestalter für den Verkauf von Tabakprodukten auf 21 Jahre angehoben wurde. Eine Studie(17) von 16.000 Schülern (14-18 Jährige) aus Needham und 16 angrenzenden Gemeinden zeigte, dass sich in Needham der Raucheranteil um 46% vermindert (von 13% auf 7%) und in den angrenzenden Gemeinden nur von 15% auf 12%. Eine aktuelle Studie(18) des „Institute of Medicine“ hat weiters berechnet, dass eine landesweite Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre den Anteil der 15-17 Jährigen Raucher in den USA um 25% absenken könnte.

 

Es lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass ähnliche Erfolge auch in Österreich auftreten würden, die Ergebnisse der vorgestellten internationalen Reformen sind jedoch vielversprechend. Hier ein Faktencheck von häufigen Mythen:

 

Mythen & Fakten: „Rauchverbot unter 18“

Ein Rauchverbot alleine bringt nichts...

·       Ein Rauchverbot hat in England, Schweden und den USA viel gebracht

·       Es gibt auch andere sinnvolle Maßnahmen, deshalb sollten wir aber nicht auf diese gute Maßnahme verzichten

Es würde schon reichen das Rauchverbot unter 16 richtig durchzusetzen...

·       Konsequenzen bei Verstößen gegen Rauchverbote zeigten in Schweden(16) und den USA(19) zwar Wirkung, jedoch kaum in anderen Studien(20)

·       Ein Rauchverbot unter 18 hält auch 11-15 Jährige vom Rauchen ab (13-Jährige wollen 16 sein, nicht 18...)

Wenn sie wollen, dann werden Jugendliche trotzdem rauchen...

·       Ja.

·       Aber später, seltener, weniger.(4,5)

Wir wollen keine neuen Gesetze...

·       Aktuelle ORF.at Umfragen zeigen eine deutliche Zustimmung (genaue Zahlen waren zum Redaktionsschluss nicht bekannt)

·       Die Anhebung des Mindestalters in den USA auf 21 Jahre wird derzeit sogar von 75% unterstützt (auch 70% der Raucher sind dafür)(21)

 

In Österreich gibt es die meisten jugendlichen Raucher Europas. Ein „Rauchverbot für unter 18-Jährige“ hat international vielversprechende Erfolge gezeigt. Deshalb unterstützen wir den Reformvorschlag als einen wichtigen, ersten Schritt:

·        Dr. med. Florian Stigler, MPH (Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Med Uni Graz; London School of Hygiene & Tropical Medicine, UK)

·        Univ. Prof. Dr. med. Gerald Gartlehner, MPH (Department für Evidenzbasierte Medizin und klinische Epidemiologie, Donau Universität Krems; RTI International, North Carolina, USA)

·        Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Thomas E. Dorner, MPH (Zentrum für Public Health, Med Uni Wien; Österreichische Gesellschaft für Public Health)

·        Dr. med. Martin Sprenger, MPH (Leiter der Public Health School, Med Uni Graz; Österreichische Forum Primärversorgung)

·        Dr. med. Bernd Haditsch (Ärztlicher Leiter Vorsorgeuntersuchung, Fachärztezentrum Graz, Steiermärkische Gebietskrankenkasse)

 

Kontakt

Dr. Florian Stigler, MPH

Email: florian.stigler@medunigraz.at


Referenzen

 
1. Kessler DA, Natanblut SL, Wilkenfeld JP, Lorraine CC, Mayl SL, Bernstein IB et al. Nicotine addiction: a pediatric disease. J Pediatr 1997; 130(4): 518-524.

 
2. Morris P. Young Smokers: Prevalence, Trends, Implications, and Related Demographic Trends. 1981. URL: http://legacy.library.ucsf.edu/tid/tib23d00;jsessionid=211D4CCF0DBD25F9DC2C9BB025239484.tobacco03.

3. Commission E. Attitudes of Europeans towards tobacco. 2012. (Eurobarometer; Band Wave EB77.1).

 
4. Pirie K, Peto R, Reeves GK, Green J, Beral V. The 21st century hazards of smoking and benefits of stopping: a prospective study of one million women in the UK. Lancet 2013; 381(9861): 133-141.

 
5. Taioli E, Wynder EL. Effect of the age at which smoking begins on frequency of smoking in adulthood. N Engl J Med 1991; 325(13): 968-969.

 
6. Jarvis MJ. Why people smoke. Bmj 2004; 328(7434): 277-279.

 
7. Gray RJ, Hoek J, Edwards R. A qualitative analysis of 'informed choice' among young adult smokers. Tob Control 2016; 25(1): 46-51.

 
8. Commission OaE. Health at a Glance: Europe 2016. 2016.

 
9. WHO. MPOWER - Tobacco Free Initiative [online]. [Zugriff: 02.01.2017]. URL: http://www.who.int/tobacco/mpower/en/.

10. VIVID. European Tobacco Control Scale: Österreich europäisches Schlusslicht in Nichtraucherschutz und Tabakprävention [online]. [Zugriff: 02.01.2017].

 
11. Stulik M. Nichtraucherschutz: Österreich hinkt 30 Jahre hinterher [online]. [Zugriff: 02.01.2017]. URL: http://rauchfrei.at/nichtraucherschutz-oesterreich-hinkt-30-jahre-hinterher/.

 
12. Morris P. Discussion Draft Sociopolitical Strategy [online]. URL: http://legacy.library.ucsf.edu/tid/aba84e00.

 
13. Fidler JA, West R. Changes in smoking prevalence in 16-17-year-old versus older adults following a rise in legal age of sale: findings from an English population study. Addiction 2010; 105(11): 1984-1988.

 
14. Millett C, Lee JT, Gibbons DC, Glantz SA. Increasing the age for the legal purchase of tobacco in England: impacts on socio-economic disparities in youth smoking. Thorax 2011; 66(10): 862-865.

 
15. Hagquist C, Sundh M, Eriksson C. Smoking habits before and after the introduction of a minimum-age law for tobacco purchase: analysis of data on adolescents from three regions of Sweden. Scand J Public Health 2007; 35(4): 373-379.

 
16. Sundh M, Hagquist C. Does a minimum-age law for purchasing tobacco make any difference? Swedish experiences over eight years. Eur J Public Health 2007; 17(2): 171-177.

 
17. Kessel Schneider S, Buka SL, Dash K, Winickoff JP, O'Donnell L. Community reductions in youth smoking after raising the minimum tobacco sales age to 21. Tob Control 2016; 25(3): 355-359.

18. Medicine Io. Public Health Implications of Raising the Minimum Age of Legal Access to Tobacco Products. Washington, DC: National Academy of Science; 2015. URL: www.iom.edu/TobaccoMinimumAge.

 
19. DiFranza JR, Savageau JA, Fletcher KE. Enforcement of underage sales laws as a predictor of daily smoking among adolescents: a national study. BMC Public Health 2009; 9: 107.

 
20. Stead LF, Lancaster T. Interventions for preventing tobacco sales to minors. Cochrane Database Syst Rev 2005; (1): Cd001497.

 
21. King BA, Jama AO, Marynak KL, Promoff GR. Attitudes Toward Raising the Minimum Age of Sale for Tobacco Among U.S. Adults. Am J Prev Med 2015; 49(4): 583-588.