„Rauchverbot
unter
18“: Ein sinnvoller und wirksamer erster Schritt
In
keinem
anderen europäischen Land gibt es so viele jugendliche Raucher und
ein
so niedriges Mindestalter für den Kauf von Zigaretten wie in
Österreich. Internationale
Studien zeigen, dass ein Rauchverbot unter 18 wirksam ist.
Ärzte und Gesundheitswissenschaftler
unterstützen deshalb den aktuellen Reformvorschlag als einen
wichtigen ersten
Schritt.
|
Rauchen
wird schon lange
als „Kinderkrankheit“(1)
angesehen, denn wer nicht schon als Kind damit
anfängt, wird später kaum noch zum Raucher. Die Tabakindustrie hat das
schon
lange erkannt. Bereits 1981 hatte der amerikanische Zigarettenhersteller
Philip
Morris in einem internen Memo betont „Die Kinder von heute sind die
potentiellen Kunden von morgen, und die überwältigende Mehrheit der
Raucher
beginnt zu rauchen, wenn sie noch Jugendliche sind.“(2)
In Österreich liegt das Einstiegsalter bei 17,3
Jahren und 77% aller Raucher sind mit 18 Jahren bereits regelmäßige
Konsumenten.(3)
Gute
Nachrichten für die
Tabakindustrie, schlechte für uns. Die hohe Anzahl an jugendlichen
Rauchern
bedeutet nämlich, dass wir der nächsten Generation ein langfristiges und
hartnäckiges Problem mitgeben. Denn je früher jemand mit dem Rauchen
beginnt,
desto eher wird er abhängig werden, desto schwerer wird er wieder
aufhören
können und desto größer wird sein gesundheitlicher Schaden sein.(4,5)
Oft beginnen Jugendliche mit dem Rauchen, um gegen die Erwachsenenwelt
zu rebellieren. Jedoch bereits im Alter von 20 Jahren werden 80% der
Raucher
bereuen, dass sie überhaupt damit begonnen haben.(6)
Aber sie werden weiter rauchen, weil sie abhängig
sind. Viele werden das den Großteil ihres Lebens tun. Wieder in den
Worten der
Tabakindustrie, „Eine Zigarette zu rauchen ist ein symbolischer Akt, der
sagt,
‚ich bin nicht mehr das Kind meiner Mutter‘. Doch sobald die Kraft der
symbolischen Handlung verschwindet, übernehmen schon die
pharmakologischen
Effekte [der Sucht] und halten das Rauchen aufrecht.“(6)
Kaum ein Kind trifft die bewusste Entscheidung mit
dem Rauchen anzufangen, kaum ein Kind ist sich der Gefahr der
langfristigen
Abhängigkeit bewusst.(7)
Österreich
vernachlässigt Nichtraucherschutz und
Tabakprävention.
Mindestalter für den Verkauf von
Tabakwareny
Areatius - Own work, CC BY 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4090283
|
Auch der Schutz von Kindern und
Jugendlichen wird in
Österreich vernachlässigt. Der Grund für die hohe Anzahl an
jugendlichen
Rauchern liegt (unter anderem) an dem ungewöhnlich niedrigen
gesetzlichen
Einstiegsalter von 16 Jahren. In den meisten Regionen der westlichen
Welt können
Zigaretten hingegen nur an über 18 Jährige (volljährig) verkauft
werden.
Vielerorts wird derzeit sogar eine Anhebung auf 21 Jahre diskutiert
und in New
York, Kalifornien, Hawaii und anderen Regionen wurde diese bereits
umgesetzt.
Eine
Anhebung des gesetzlichen Mindestalters wirkt.
Als in
den USA in den 80er Jahren über eine Anhebung
des Mindestalters auf 21 Jahre diskutiert wurde, war sich die
Tabakindustrie
über die möglichen Folgen bewusst. So meinte Philip Morris in internen
Dokumenten, dass „[diese Maßnahme] den Schlüsselmarkt der 17-20 Jährigen
vernichten
könnte, in dem wir etwa 25 Milliarden Zigaretten verkaufen und 70%
Marktanteil
genießen“.(12) Wenn
sich die Tabakindustrie vor einer Maßnahme zur Tabakprävention fürchtet,
dann
ist das meist ein Hinweis darauf, dass sie wirkt. International wurden
Reformen
zur Anhebung des gesetzlichen Mindestalters in folgenden Ländern auf
ihre
Wirksamkeit hin überprüft:
1.
England 2007: Anhebung des
Mindestalters von 16 auf 18 Jahre
Im
Oktober 2007 wurde in Großbritannien das Mindestalter
für den Verkauf von Tabakprodukten von 16 auf 18 Jahre erhöht. Eine
Studie(13)
mit über 50.000 Personen konnte
zeigen, dass der Anteil der Raucher unter den 16 und 17 Jährigen um 30% gesunken (von 23,7% auf 16,6%) ist.
Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der älteren Raucher nur minimal
reduziert. Eine andere Studie(14)
untersuchte in 264 Schulen den
Effekt auf 11-15 Jährige und auch hier zeigte sich der Raucheranteils
signifikant um 33% vermindert. Die
Steigerung des Mindestalters von 16 auf 18 Jahre hat somit bei den 11-17
Jährigen Briten den Raucheranteil reduziert (nicht nur die vom Gesetz
direkt
betroffenen 16 und 17 Jährigen).
2.
Schweden 1997: Anhebung des
Mindestalters auf 18 Jahre
Im Jahr 1997 wurde nach einigem Zweifel und Widerstand
das Rauchverbot für unter 18-Jährige eingeführt. Eine Studie(15)
mit über 40.000 Schülern von
12-16 Jahren wurde in drei schwedischen Regionen durchgeführt. Hier
zeigte sich
erst nach 9 Jahren und nur bei den 15-16 Jährigen in den ländlichen
Regionen Värmland
und Västernorrland ein signifikant um 35%
reduzierter Raucheranteil. Nicht aber in der Stadt Malmö, den
13-14
Jährigen oder auf kürzere Sicht. Diese Beobachtung lässt sich vor allem
durch die
zahnlose Umsetzung des Gesetzes erklären. In der Stadt war es leicht auf
Umwegen zu Zigaretten zu kommen und 48% der minderjährigen „Testkäufer“
konnten
auch noch im Jahr 2005 mühelos Zigaretten kaufen.(16)
3.
USA (Needham) 2005: Anhebung
des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre
Im April 2005 wurde Needham, Massachusetts, die erste
amerikanische Stadt, in der das gesetzliche Mindestalter für den Verkauf
von
Tabakprodukten auf 21 Jahre angehoben wurde. Eine Studie(17)
von 16.000 Schülern (14-18 Jährige)
aus Needham und 16 angrenzenden Gemeinden zeigte, dass sich in Needham
der
Raucheranteil um 46% vermindert (von
13% auf 7%) und in den angrenzenden Gemeinden nur von 15% auf 12%. Eine
aktuelle
Studie(18)
des „Institute of Medicine“
hat weiters berechnet, dass eine landesweite Anhebung des Mindestalters
auf 21
Jahre den Anteil der 15-17 Jährigen Raucher in den USA um 25%
absenken könnte.
Es lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass
ähnliche Erfolge auch in Österreich auftreten würden, die Ergebnisse der
vorgestellten internationalen Reformen sind jedoch vielversprechend.
Hier ein
Faktencheck von häufigen Mythen:
Mythen & Fakten: „Rauchverbot unter 18“ |
Ein Rauchverbot alleine bringt nichts... |
·
Ein Rauchverbot hat in England, Schweden und
den USA viel gebracht ·
Es gibt auch andere sinnvolle Maßnahmen, deshalb
sollten wir aber nicht auf diese gute Maßnahme verzichten |
Es würde schon reichen das Rauchverbot unter 16
richtig durchzusetzen... |
·
Konsequenzen bei Verstößen gegen Rauchverbote zeigten
in Schweden(16)
und den USA(19)
zwar Wirkung, jedoch kaum in anderen Studien(20) ·
Ein Rauchverbot unter 18 hält auch 11-15 Jährige vom
Rauchen ab (13-Jährige wollen 16 sein, nicht 18...) |
Wenn sie wollen, dann werden Jugendliche trotzdem
rauchen... |
·
Ja. ·
Aber später, seltener, weniger.(4,5) |
Wir wollen keine neuen Gesetze... |
·
Aktuelle ORF.at Umfragen zeigen eine deutliche
Zustimmung (genaue Zahlen waren zum Redaktionsschluss nicht
bekannt) ·
Die Anhebung des Mindestalters in den USA auf 21 Jahre
wird derzeit sogar von 75% unterstützt (auch 70% der Raucher
sind dafür)(21) |
In Österreich gibt es
die meisten
jugendlichen Raucher Europas. Ein „Rauchverbot für unter 18-Jährige“
hat
international vielversprechende Erfolge gezeigt. Deshalb unterstützen
wir den
Reformvorschlag als einen wichtigen, ersten Schritt:
·
Dr. med. Florian Stigler,
MPH (Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte
Versorgungsforschung,
Med Uni Graz; London School of Hygiene & Tropical Medicine, UK)
·
Univ. Prof. Dr. med. Gerald
Gartlehner, MPH (Department für Evidenzbasierte Medizin und klinische
Epidemiologie, Donau Universität Krems; RTI International, North
Carolina, USA)
·
Assoc.-Prof.
Priv.-Doz.
Dr. med. Thomas E. Dorner, MPH (Zentrum für Public Health, Med Uni Wien;
Österreichische Gesellschaft für Public Health)
·
Dr.
med. Martin Sprenger, MPH (Leiter der Public Health School,
Med Uni Graz; Österreichische Forum Primärversorgung)
·
Dr. med. Bernd
Haditsch
(Ärztlicher Leiter Vorsorgeuntersuchung, Fachärztezentrum Graz,
Steiermärkische
Gebietskrankenkasse)
Kontakt
Dr. Florian Stigler, MPH
Email: florian.stigler@medunigraz.at
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