Dürfen Frauen mehr rauchen ?

von Herwig Köppel, Klinische Abteilung für Angiologie

Medizinische Universitätsklinik Graz


Seit der Publikation der Framingham-Studie vor ca. 30 Jahren, wo sich gezeigt hat, das das kardiovaskuläre Risiko für unter 60-jährige Männer doppelt so hoch ist wie für unter 60-jährige Frauen, gilt die Atherosklerose und die damit assoziierten Folgeerscheinungen als Erkrankung älterer Männer. Bis zum Alter von 65 haben Männer ein 3,5fach erhöhtes Risiko an einer KHK zu versterben als Frauen.Aus diesem Grund erhebt sich aus gefäßmedizinischer Sicht die Frage, ob Frauen mehr rauchen dürfen als Männer.

Nikotin ist die wichtigste vermeidbare Todesursache bei Männern und Frauen. Frauen, die rauchen, haben ein 2- bis 4-fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Todesursachen. Etwa 25 % aller Todesfälle sind bei Frauen auf kardiovaskuläre Ursachen zurückzuführen, 13 % aller Todesfälle beruhen auf direktem Nikotineinfluss.

Nikotin bewirkt einerseits einen direkten Endothelschaden, andererseits kommt es zu einer gesteigerten Katecholaminausschüttung und Störungen des Lipidstoffwechsels. Des weiteren bewirkt das Nikotin eine gesteigerte Thrombocytenaktivität, eine Zunahme freier Sauerstoffradikale und überdies eine verminderte Synthese des „endothelium-derived relaxing factors“ (= NO), welcher eine zentrale Rolle bei der Vasodilatation einnimmt. Eine Hypothese, warum Nikotin bei Frauen nicht so schädlich wäre wie für Männer, war, dass Frauen vor der Menopause östrogenbedingt einen Schutz vor Atherosklerose haben. Durch den Östrogeneinfluss haben prämenopausale Frauen einen günstigeren Lipidstoffwechsel, niedrigere Fibrinogenspiegel, eine verminderte Insulinresistenz und auch niedrigere Spiegel des Plasminogenaktivator-Inhibitors (PAI 1). All dies wirkt gefässprotektiv; dennoch haben sich in vielen Studien über den Nutzen einer Hormonersatztherapie unterschiedliche Ergebnisse gezeigt. In all diesen Studien, wo Raucherinnen als Subgruppe analysiert wurden, hat sich jedoch gezeigt, dass bei Raucherinnen etwa Myokardinfarkte deutlich häufiger aufgetreten sind. Unlängst wurde eine grosse Studie an 12377 Subjekten im Alter von 45-64 Jahren, die sogenannte ARIC-Studie publiziert, welche den Nachweis einer subklinischen Atherosklerose durch Messung der Intima-Media-Dicke an den Karotiden geführt hat und zum Nachweis einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit den ankle-brachial-index bestimmt hat. Die Ergebnisse dieser grossen Studie sind überaus bemerkenswert, da zum ersten Mal gezeigt werden konnte, dass das Vorhandensein einer koronaren Herzkrankheit bzw. das auftreten von Myokardinfarkten mit Rauchen und Diabetes bei Frauen signifikant häufiger assoziiert ist. Weiters konnte bei Männern und Frauen gleichermassen gezeigt werden, dass Rauchen schon mit subklinischer Atherosklerose vergesellschaftet ist. Eine weitere sehr grosse Studie, die von der WHO in 21 Ländern an 38 Populationen in den 1980 er und 90er Jahren durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass der Nikotinabusus zwar bei Männern rückläufig, bei Frauen, insbesondere Frauen jüngeren Alters jedoch zunehmend ist. Im Gegensatz zu den Männern zeigen sich dementsprechend auch Koronarereignisse bei Frauen immer noch zunehmend.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der Nikotinkonsum bei Männern weltweit abnehmend ist, bei Frauen, und hier insbesonders bei jungen Frauen leider noch immer zunehmend ist. Das alte Klischee, dass es sich bei der Atherosklerose und den damit in Verbindung stehenden Folgeerkrankungen, um Erkrankungen älterer Männer handelt, ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Rezente Studien haben gezeigt, dass die Assoziation zwischen Rauchen und Atherosklerose bei Frauen sogar noch stärker ausgeprägt ist als bei Männern. Aus gefässmedizinischer Sicht dürfen daher Frauen keineswegs mehr rauchen als Männer.


Die Literaturliste zu diesem Beitrag für die Zeitschrift Iatros-Gefäßmedizin (2005/1) kann von herwig.koeppel@klinikum-graz.at angefordert werden.

Anmerkung des Webmasters: Eine aktualisierte Schätzung des kardiovaskulären Risikos von Frauen erschien 2010.

                                             Ein erhöhtes Risiko, einen Diabetes II zu entwickeln, wurde in Korea für rauchende Männer nachgewiesen.