Betreff: Re: Erster Kinderbericht der OECD In Österreich haben 50 Prozent mit 13 Jahren bereits ihre erste Zigarette geraucht (versus 30 % im OECD-Schnitt) |
Von: Manfred Neuberger |
Datum: Wed, 10 Feb 2010 23:44:14 +0100 |
An: Bundeskanzler |
CC: michael.spindelegger@bmeia.gv.at, "Dr." |
BCC: thomas.frischer@meduniwien.ac.at,
schmitzberger@docs4you.at, maximilian.zach@meduni-graz.at,
j.riedler@kh-schwarzach.at, friedrich.horak@meduniwien.ac.at,
Wilhelm.Kaulfersch@lkh-klu.at, tamas.fazekas@stanna.at,
hans.wank@stanna.at, zsolt.szepfalusi@meduniwien.ac.at,
hanns.moshammer@meduniwien.ac.at, pf_11101 Landeshauptfrau Burgstaller |
Aus Ihrem Versprechen, dass Sie für Kinder und
Jugendliche "alles tun" werden, "um wirkungsvolle Maßnahmen im Sinne
von Tabakprävention zu setzen", schließen wir, dass Sie Rauchfreiheit
wenigstens für die Jugendgastronomie verlangen werden. Denn das
generelle Rauchverbot in der Jugendgastronomie ist -wie viele Studien
beweisen- eine der wirkungsvollsten Maßnahmen, die überdies kaum Kosten
verursacht. Wir erwarten daher, dass sie in Ihrem Maßnahmenkatalog die
erste Stelle einnimmt.
Ihnen, sehr geehrter
Herr Bundeskanzler, danken wir für Ihr klares Bekenntnis zum
Gesundheitsschutz und zur Notwendigkeit einer "Weiterentwicklung
des Nichtraucherschutzes". Sie schreiben: "Wir können
die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Regelung und den Wunsch nach
einem
effektiven Nichtraucherschutz auch in der österreichischen Gastronomie
durchaus
nachvollziehen." und
"Die
Eindämmung des Rauchens und der
Nichtraucherschutz sind aber auch in Österreich Ziel der
Gesundheitspolitik
dieser Bundesregierung."
Auch haben Sie klar erkannt, dass die
Tabakindustrie gegen ein Rauchverbot in der Gastronomie Sturm läuft,
weil dort junge Menschen zum Rauchen verführt werden und dass
"junge
Menschen auch durch die
in der Gesellschaft vorherrschende Grundhaltung und durch das
Konsumverhalten
der Erwachsenen deutlich beeinflusst werden. Dass man insgesamt in Österreich, auch
bei den Erwachsenen, noch immer von einer vergleichsweise weiten
Verbreitung
des Rauchens ausgehen muss, spielt daher sicherlich auch eine
entscheidende
Rolle beim jugendlichen Rauchverhalten. Es ist daher nicht sinnvoll,
die
Problematik jugendlichen Rauchens isoliert zu sehen, sondern es muss
Ziel sein,
das Rauchen insgesamt zu reduzieren." Auch dem Raucher
hilft man nicht, weniger zu rauchen oder sich ganz von der Nikotinsucht
zu befreien, wenn er überall uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf
andere rauchen kann.
Besonders freuten wir uns über Ihren Schlusssatz:
"Wir
hoffen, dass eine Verbesserung beim
Nichtraucherschutz doch auch in der österreichischen Gastronomie in
absehbarer
Zeit Platz greifen können wird."
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Vizekanzler!
Am 20.9.09 machte ich Sie auf das Versagen des Kinder- und Jugendschutzes aufmerksam (siehe unten). Aber bis heute werden entsprechende Pressemeldungen (http://kurier.at/nachrichten/gesundheit/1973385.php) vom Gesundheitsminister ähnlich kommentiert wie von seiner Vorgängerin: mit Unglauben. Diese Vogel-Strauß-Politik ließ Österreich im Ranking auf den letzten Platz zurückfallen (Beilage).
Das Eurobarometer zeigt die höchsten Zustimmungsraten für komplett rauchfreie Restaurants in den Ländern, die schon entsprechende Gesetze umgesetzt haben: Italien 95%, Malta 88%, Irland und Schweden 87%, U.K. 86%, Frankreich 83%. Aber auch in Österreich beträgt die Zustimmungsrate schon 78%, sodass Ihr Zögern, ein Rauchverbot in Österreich wie in Nord- und Westeuropa einzuführen, unverständlich ist. Gern sende ich Ihnen Zuschriften von bisherigen treuen Wählern von SPÖ bzw. ÖVP, die mir versichern, dass sie diese Partei wegen ihrer Tabakpolitik nicht mehr wählen werden. Die Ärzteinitiative ist überparteilich, beabsichtigt aber, Ihre Antworten auf die an Sie von Dr. Glawischnig gestellten Fragen zu veröffentlichen.
Bitte entscheiden Sie sich für Gesundheits- und Jugendschutz und zeigen Sie, dass Ihnen Luftreinhaltung wichtiger ist als die schmutzigen Geschäfte mit ausländischen Tabakkonzernen. Auch wenn diesen Geschäften die Kommerzialräte Hinterleitner und Wolf nachtrauern werden, sie schaden der Volkswirtschaft, dem Tourismus und vor allem dem Ruf Österreichs im Ausland.
Mit hoffnungsvollen Grüßen
o.Univ.Prof. Dr. M. Neuberger
Manfred Neuberger schrieb:Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler!
Sehr geehrter Herr Außenminister!
Heute zum Weltkindertag möchte ich Ihnen ein Zitat in Erinnerung rufen: "Wenn wir heute nicht entschieden handeln, werden unsere Enkelkinder und ihre Kinder in hundert Jahren fragen, wie Menschen, die der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet sind, die unkontrollierte Ausbreitung der Tabakepidemie zulassen konnten." Gro Harlem Brundtland, Generaldirektorin der WHO, 1999.
Österreich hat das Rahmenübereinkommen zur Tabakkontrolle ratifiziert, aber bisher kaum Anstrengungen unternommen, Artikel 8 auch umzusetzen (siehe beiliegendes Editorial in der Wiener Klinischen Wochenschrift). Auch die bei COP-3 in Durban beschlossenen Richtlinien zur Implementierung von Artikel 5.3 wurden von unserer Regierung bisher missachtet und die schmutzigen Geschäfte mit der Tabakindustrie fortgesetzt. Das Ziel der Tabakmafia ist zwar nicht primär das rücksichtslose Rauchen in Gegenwart von Kindern, wohl aber die damit verbundene Verführung junger Menschen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt.
Eine neue OECD-Studie zeigt unseren großen Nachholbedarf bei der Tabakprävention: Unter den 15-Jährigen war der Anteil der regelmäßigen Raucher in Österreich mit 27 Prozent um mehr als ein Drittel über dem OECD-Schnitt. Österreich gibt zwar pro Kind viel aus, hat es aber trotzdem nicht geschafft, Chancengleichheit für Kinder herzustellen. Am auffälligsten ist das bei der hohen Raucherquote von Kindern aus der Unterschicht, die besonders früh verführt werden, um dann nicht mehr davon loszukommen und einen größeren Teil ihres Einkommens für Zigaretten auszugeben als andere. Vor allem aber bezahlen diese Menschen ihre Sucht ohne Genuss häufiger als andere mit ihrer Gesundheit und schließlich mit ihrem Leben.
Sobald sich herumspricht, dass Kindergesundheit und Luftreinhaltung nur Lippenbekenntnisse österreichischer Politiker sind, werden wir in der EU und weltweit unsere Glaubwürdigkeit verlieren.
Mit freundlichen Grüßen
o.Univ.-Prof. Dr. M. Neuberger (www.aerzteinitiative.at)