Gesendet: Sonntag, 31. Mai 2020 um 09:49 Uhr
Von: "Prim. Dr. Herwig Schinko" 
An: "Prim. Dr. Kurt Aigner" 
Betreff: Re: Snus
Lieber Kurt,
 
in der Anlage darf ich dir Kommentare von mir zu Snus und die Antwort auf den Artikel in den OÖN von Rohrhofer zukommen lassen:
 

1) Kautabak war einst wirklicher Kau-Tabak oder auch Priem bezeichnet – ich glaube auch Pfriem wurde in Österreich benutzt.

Die Letztentwicklung von Kautabak war, dass er als gemahlener Tabak, versetzt mit Aromen und Ammoniak entweder als Pulver lose zum Selber-Zubereiten oder vordosiert verpackt in Säckchen/Bags auf den Markt kam.

Snus oder Snaff ist die skandinavische Version des Kautabaks, vor allem in Norwegen und Schweden wird gesnust. Europaweit ist der Verkauf von Snus durch die Tabakprodukt-Richtlinie 2001/37/EU verboten mit Ausnahme von Schweden. In Österreich ist der gewerbliche Verkauf von rauchfreiem Tabak auch laut Tabakgesetz (§2.(1)Z.2) verboten, sodass er nur unter der Hand bzw. über das Internet erworben werden kann. Die Einfuhr für den Eigenbedarf bzw. der Konsum ist nicht verboten – außer unter 18-Jähren. Das Verkaufsverbot von Snus hielt vor dem Höchstgericht. Der Konsum von Snus fällt allerdings nicht unter das Suchtmittelgesetz.

 

Snus wird auch als “Chewing bags” von Tabak bezeichnet. Natürlich beibt der Verkauf in Österreich weiterhin verboten. Aber es gibt eben immer wieder die erfolgreiche Suche nach Schlupflöchern.

Einem findigen Österreicher, nämlich dem Dornbirner Rainer Gunz, ist die Idee gekommen, an Stelle von fein gemahlenem Misch-Tabak quasi “Tee-Päckchen” angereichert mit Nikotin als Snus-Ersatz

zu generieren. Produziert werden diese Nikotin-Kau-Päckchen angeblich in Dänemark. Es gibt sie anscheinend derzeit (noch) als FARO und EGAL in Österreich (daher auch die Werbung). Offenkundig ist diese Form des Nikotinkonsum im Gegensatz zu Snus in Österreich nicht untersagt bzw. hat noch niemand geklagt, weil ...

Jedenfalls gehören Nikotin-Kaupäckchen zur Linie der Tabakindustrie, die auf RAUCHFREIEN TABAK setzt – wie erhitzter Tabak IQOS, E-Zigaretten mit gedampftem Nikotin und neuerdings Nikotin-Teepäckchen zum Kauen. Die Tabak-Nikotinindustrie ist Besorgten immer eine Nasenlänge voraus.

Ich erachte Nikotin-Bags als Nikotinlieferanten, tauglich zum Nikotineinstieg in die Abhängigkeit, benutzbar zum dualen Tabak-Nikotinkonsum, aber nicht zur Entwöhnung. Studien über Nikotin-Bags gibt es meines Wissens nicht, auch keine Produktkontrolle und Prüfung der Zusammensetzung und Dosis. Jedenfalls sind FARO und SPIRIT eine Möglichkeit für “Nikotin-Kicks”, nicht nur für Kicker (doppelsinnig).

 

XXX wird nach diesen Ausführungen vielleicht verstehen, warum ich sosehr bei der Schülerbefragung an der Aufnahme einer Frage nach Snus, Kautabak bzw. Nikotin-Bags interessiert war.

Vielleicht sollten wir am Weltnichtrauchtag = eigentlich Welt-Nikotinfrei-Tag  = Welttag ohne Tabak = Welttag ohne Nikotinprodukte auf diese Crux in Österreich hinweisen.

 

2)

Sehr geehrte Frau Rohrhofer,
 
in ihrem Beitrag beziehen sie sich u.a. auf unsere rezente Schülerbefragung der OÖ Krebshilfe und wahrscheinlich die PA-Aussendung der österr. Krebshilfe samt Unterlagen zu alternativen Tabak-Nikotinprodukten. Ihr Beitrag differenziert für mich zu wenig– warum?
 
Leider unterscheiden sie nicht zwischen “Snus” = Tabakpäckchen und Nikotinpäckchen, wenn sie unter dem Foto “Snus”; kleines Nikotinpackerl texten. Snus als Tabakpäckchen darf nur in Schweden und weder in Österreich noch im übrigen EU-Raum verkauft werden. Snus ist laut Gesetz und EU-Richtlinie ein in Österreich verbotenes “Tabak-Verkaufsprodukt”.
Neu in Österreich auf den Markt gekommen sind als Snus-Ersatz zur Umgehung des Verkaufsverbots von Kautabak rezent wirkliche Nikotin-Kau-Bags – die per Produktdefinition keinen Tabak enthalten.
Der Text unter dem gezeigten Foto müsste für demnach heißen: “Snus”: kleines Tabakpackerl, in Österreich aber mit Verkaufsverbot belegt. Der Kommentar des HNO-Kollegen Matthias Stadler bezieht sich auf Snus-Kautabak und nicht auf Nikotin-Bags.
 
Ergänzung zu der Schülerstudie: Zu Snus finden sie keine Zahlen in der Krebshilfe Schülerstudie.
In Zusammenhang mit der Schülerbefragung: Tabak- und Nikotinprodukte dürfen in Österreich nicht an Jugendliche = junge Menschen unter 18 Jahren verkauft werden. Der Konsum ist aber = leider nicht verboten.
Mir erscheint das als eine gesellschaftspolitische Groteske: man vermeint über das Verkaufsverbot von Tabak-Nikotin-Produkten an die Jugend deren Konsum zu regulieren. (Die Beschränkung des Zugangs zu Tabak-Nikotinprodukten ist ein, aber nur ein schwach hemmender Konsumfaktor). Das Verkaufsverbot ist politisch so naiv, wie wenn man den Autoverkauf an Jugendliche unter 18 Jahren verbieten würde, um das Lenken von PKWs durch sie zu unterbinden und dabei die Einhaltung örtlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen zu erreichen?!
Die Konsumzahlen der diesjährigen Schülerbefragung bzw. der jugendliche Tabak-Nikotinkonsum der 14-18-Jährigen unterstreicht die politische Zielverfehlung klar, nämlich, dass erst ab dem 18. Lebensjahr geraucht werden darf. Und das Erschreckende dabei, dass 2/3 der jungen Menschen binnen einem Jahr tabak- bzw. nikotinabhängig = süchtig werden, d.h. im Jugendlichenalter beginnen dosis- und suchtabhängig die Tabakkrankheiten. Die ersten klinisch fassbaren Folgen sieht man erst nach einer Latenz von 20-25 Jahren (zB COPD), wenn die Abhängigkeit längst tief engrammiert ist. Die rezente Corona-Pandemie setzt dem chronischen Tabakkonsum nur nochmals eine besondere Note darauf.
 
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Herwig Schinko
 
Der Tabakumsatz ist scheinbar seit Gastronomie-Rauchverbot um ca. 10% eingebrochen, entsprechend sucht die Tabak-Nikotinindustrie nach neuen Produkten und Märkten, zuletzt auch mit IQOS, dem erhitzen Tabak.
Die Krux mit dem Kaufverbot an statt Konsumverbot für Jugendliche bleibt = eine unendliche Geschichte. Das Verkaufsverbot an Jugendliche unter 18 Jahren ist praktisch ohne Wirkung geblieben.
 
Als Krebshilfe-Monitor des Tabak-Nikotinkonsums von Jugendlichen
herzlich Herwig